Rund 2.000 Bäuerinnen und Bauern aus der ganzen Steiermark waren nach Graz gekommen, um ihren Frust über die existenzbedrohliche Gesamt-situation in der Landwirtschaft freien Lauf zu lassen. Zuvor hatten schon rund 5.000 Teilnehmer bei den Kundgebungen in allen Bezirkshauptstädten für Stimmung gesorgt.
In vielen Sparten der Landwirtschaft ist seit Monaten die Existenz der Bauernschaft im höchsten Maße gefährdet, dies primär durch Preiskämpfe abseits jedweder Moral und verschiedenen sonstigen unhaltbaren Rahmenbedingungen. In einer Umfrage zeigte sich, dass fast jeder zweite Betrieb überlegt, die Stalltüren für immer zu schließen. „Ein Bauernhof sichert drei weitere Arbeitsplätze – vom Baumeister über den Tierarzt oder die Werbebranche bis zu den Landmaschinenhändlern! Wenn täglich drei Bauernhöfe zusperren, dann sind pro Jahr rund 3.000 Arbeitsplätze gefährdet“, sieht Bauernbundobmann und Agrarlandesrat Hans Seitinger den direkten Zusammenhang zwischen Bauern und Gesellschaft. „Der harte und für mich nahezu unaussprechliche Satz – Stirbt der Bauer, stirbt das Land – ist im Moment so realitätsnah und sichtbar wie nie zuvor. Und das geht weit über Einzelschicksale hinaus, wenn durch nachhaltige irreparable Schäden die Versorgungssicherheit in Krisenzeiten nicht mehr gegeben ist. Letztlich provoziert diese bedrohliche Situation auch einen enormen Verlust an Lebensqualität und Lebenskultur insbesondere im ländlichen Raum“, so Seitinger weiter. „Durch die existenzbedrohliche Situation ist auch die Investitionsbereitschaft der Bauern seit Monaten auf null gestellt, was sich sehr wesentlich auch in den Negativzahlen der steirischen Wirtschaft widerspiegelt“, erklärt Bauernbundobmann Hans Seitinger. Wenn Preisrückgänge bei der Milch innerhalb eines Jahres von mehr als 25 Prozent hingenommen werden müssen, die Obstbranche in Folge des Russland-Embargos regelrechte Preisstürze verkraften muss, das frische Gemüse keinen Absatz findet und auch die heimischen Schweinebauern untragbare Bedingungen akzeptieren müssen, spitzt sich die Situation von Tag zu Tag zu und der Frust der Bauern steigt, das war bei der größten Bauerndemonstration der letzten 30 Jahre deutlich spürbar. „Ich möchte den Lebensmittelhandel eindringlich ersuchen, sich mit uns an einen Tisch zu setzen, um gemeinsam die Zukunft zu beraten“, richtet Seitinger abschließend den Appell an die Handelsketten.
Gerechter Anteil am Verkaufspreis
„Die Bauern erwarten sich einen gerechten Anteil am Verkaufspreis und ich erwarte mir mehr Verantwortung von den Partnern in der Lebensmittelversorgung. Mehr Verantwortung des Lebensmittelhandels im fairen Miteinander, mehr Verantwortung der Konsumenten in der solidarischen Grundhaltung, mehr Verantwortung der Sozialpartner im Umgang mit Preisvergleichen und mehr Verantwortung der gesetzgebenden Körperschaften bei dem Erlass von gesetzlichen Auflagen,“ stellt Landwirtschaftskammerpräsident Franz Titschenbacher deutlich fest
Landesbäuerin Auguste Maier: „Die Bäuerinnen sind unverzichtbare Partner auf den Betrieben und sind extremen Vielfachbelastungen ausgesetzt. Neben der Haushaltsführung, der Kindererziehung, und der Altenbetreuung, nehmen sie in der Innen- wie auch Außenwirtschaft Verantwortung für die Zukunft der Land- und Forstwirtschaft war. Sie sind zudem wichtige Botschafter für regionale Produkte und Kulinarik und gestalten zahlreiche Veranstaltungen in den Dörfern und Gemeinden.“
Vizepräsidentin Maria Pein: „Auf unseren Bauernhöfen leben bis zu vier Generationen unter einem Dach. Dieses generationenübergreifende Denken und Handeln ist Vorbild für die gesamte Gesellschaft. Angesichts der explodierenden Pflegekosten ist das Modell Bauernhof ein herausragendes Beispiel mit Zukunft.
Obwohl Sozialversicherungsbeiträge eine enorme Belastung für unsere Bauern und Bäuerinnen darstellen, sind sie dennoch enorm wichtig, da wir auch Leistungen beziehen!“
Fritz Rauer, Obmann der steirischen Gemüsebauern: „Wir brauchen ein klares Bekenntnis zu fairen Preisen für eine österreichische Produktion, der auch den in Österreich geltenden Rahmenbedingungen entspricht. Wir können nicht zu den europaweit höchsten Lebensmittelstandards produzieren, und unsere Produktpreise dann an Billigländer angleichen“.
Rupert Gsöls, Obmann des Verbandes steirischer Erwerbsobstbauern: „Leider spiegelt sich die Qualität im Produzentenpreis nicht wider. Daher fordern wir vom Handel eine faire Preisgestaltung für den Konsumenten und den Bauern. Schon als Kind haben wir gelehrt bekommen „Mit Lebensmittel spielt man nicht“. Genau das sollte sich auch der Handel, der leider viel Aktionismus mit Lebensmittel betreibt, zu Herzen nehmen. Wenn schon mit regionalen Produkten geworben wird, sollte sich das fairerweise auch preislich bei den Produzenten bemerkbar machen.“
Jakob Karner, Obmann der Obersteirischen Molkerei: An den Handel werden wir die Botschaft richten, dass er Mitverantwortung trägt für den Erhalt der bäuerlichen Strukturen und dass er den Konsumenten die Chance geben muss, klar und deutlich zu erkennen, woher die Lebensmittel stammen. Es wäre wünschenswert zukünftig die heimischen Produktpreise nicht nach internationalen Preisentwicklungen auszurichten, sondern die Qualität des Produktes in den Vordergrund zu stellen.“
Kurt Tauschmann, Obmann der Styriabrid: „Wenn es nirgendwo mehr möglich ist, einen Stall zu bauen, dann haben wir Handlungsbedarf. Obwohl Bauern bereit sind, Stallungen außerhalb des Dorfgebietes zu errichten, werden trotzdem Einsprüche erhoben, die niemand versteht. Es kann nicht sein, dass Stallgenehmigungen 5 Jahre und länger dauern. Und es kann nicht sein, dass jeder Einspruch erheben kann. Auch im Nachhinein. Das ist untragbar. Weiters fordern wir die Rückverfolgbarkeit von Fleisch in allen Verarbeitungsbereichen, nicht nur bei Frischfleisch. Der Konsument soll auch beim Würstel wissen, wo es herkommt.“
Zahlen, Daten, Fakten zur heimischen Land- und Forstwirtschaft
- Landwirtschaftliche Betriebe in der Steiermark:
- 12000 Rinderhalter
- 6300 Schweinehalter
- 2900 Halter von Schafen und Ziegen
- 12000 Geflügelhalter
- 1800 Obstbauern
- 900 Gemüsebauern
- 35200 Betriebe mit Eigenwald
- Agrarische Flächenverteilung in der Steiermark:
- 140000 ha Ackerland
- 220000 ha Grünland
- 860000 ha Wald
- Wirtschaftliche Leistung (Produkte/Dienstleistungen): 1,8 Milliarden Euro/Jahr
- Investitionen: 420 Millionen/Jahr
- Ausgaben für Betriebsmittel: 946 Millionen /Euro
- Ein Bauernhof sichert durchschnittlich 3 Arbeitsplätze außerhalb der Landwirtschaft
- Ein land- und forstwirtschaftlicher Betriebsführer verdient in der Steiermark im Durchschnitt pro Jahr € 17.920.-, das entspricht im Vergleich mit einem unselbständig Erwerbstätigen einem Monatsbruttolohn von € 1.280