Titschenbacher: Klimawandel verschärft sich in der gesamten Steiermark. Ernte-Ergebnisse sehr durchwachsen. Mit Humusaufbau versuchen Ackerbauern die Schäden besser abzupuffern, die durch Wetterextreme wie Trockenheit oder Starkregen entstehen.
Titschenbacher: Noch nie zeigte sich der Klimawandel so deutlich wie heuer. „Der Klimawandel hat sich heuer in der gesamten Steiermark verschärft. Schlagartig wechseln sich Wärme- und Kältephasen sowie Trocken- und Starkregenphasen ab“, erläutert Landwirtschaftskammer-Präsident Franz Titschenbacher die bisher in dieser wechselvollen Ausprägung noch nie dagewesenen Wetterextreme. Die Landwirtschaft leidet an dieser eklatanten Klimaverschlechterung sehr. Vor allem die Ackerbauern mit Mais und Kürbis, die Grünlandbauern in exponierten Lagen und die Obstbauern sind besonders aktuell stark betroffen.
Zu warm, zu kalt, zu feucht und zu trocken im ständigen Wechsel bedeutet Ultra-Stress für die Pflanzen. „Aufgrund dieser Wetterextreme entscheiden oft nur ein paar Tage, ob es zu Totalausfällen oder verlässlichen Erträgen kommen kann“, betont Titschenbacher. So hemmten nach dem Anbau der wärmeliebenden steirischen Hauptkulturen Mais und Kürbis die starken Niederschläge und die kühle Witterung das Wachstum – Nässe und Kälte bedeuteten für die Jungpflanzen Ultra-Stress, die Wurzeln konnten sich nur schlecht ausbilden, ein Dilemma für die folgenden Trockenphasen (Charts).
Schlagartiger Wechsel der Wetterextreme zeigt sich in durchwachsener Ernte. Steiermarkweit sind die Maiserträge um 20 Prozent eingebrochen, auf sandigen Böden sind sogar Totalausfälle zu verzeichnen. Die Grünlandernte, also Futter von Wiesen und Weiden, ist sehr durchwachsen. Bei Äpfeln ist die Ernte nach dem viel zu warmen Februar, der die Vegetation stark vorangetrieben hat und den darauffolgenden Spätfrösten im April, etwa um 40 Prozent niedriger als in einem Normaljahr. Arg erwischt haben die Spätfröste auch Steinobst wie Marille (fast Totalausfall), Kirschen, Pfirsiche und Zwetschken. Besser zurechtgekommen mit den Witterungsbedingungen sind folgende Kulturen: gentechnikfreie Soja, Hirse, Mais in Gunstlagen; Getreide und Holunder. Insgesamt sind die Frost-, Dürre- und Hagelschäden in der Steiermark heuer mit 62 Millionen Euro erheblich höher als noch im Vorjahr mit 46 Millionen Euro. Im Jahr 2019 betrugen sie 27 Millionen Euro.
Langfrist-Strategie der Kammer: Mit Humusaufbau Trocken- und Starkregen-Schäden besser abpuffern. „Ein humusreicher Boden speichert mehr Wasser, schützt die Pflanzen somit besser vor Trockenheit und verhindert bei Starkregen die Abschwemmung der wertvollsten obersten Bodenschichten, Erosionen und Erdanlandungen auf Straßen“, betont Kammerdirektor-Stellvertreter Fritz Stocker. Daher hat die steirische Landwirtschaftskammer eine Langfriststrategie zum Humusaufbau entwickelt. Ziel ist es, in kleinen Schritten kostengünstig den Humusgehalt durch den Anbau von Begrünungen – auch im Winter! –, durch Fruchtfolge und alternative Bodenbearbeitung jährlich zu steigern. „Ehrgeiziges Ziel ist es, in zehn Jahren den durchschnittlichen Humusgehalt auf den Ackerflächen von 2 auf 2,5 Prozent zu erhöhen. Damit kann der Boden pro Starkregen und Quadratmeter um durchschnittlich zehn Liter mehr Wasser speichern. Jedes Hektar Ackerfläche kann somit im Schnitt um 100.000 Liter mehr Wasser speichern, das bei Trockenheit von den Pflanzen aufgenommen wird“, beschreibt Stocker die Grundzüge des klimafitten Ackerbaus.
Stocker: Kammer unterstützt Ackerbauern bei der Humusvermehrung, um Ernte und Versorgung zu sichern. „Die Landwirtschaftskammer hat den Humusaufbau zu einem Schwerpunkt-Thema in der Versuchs- und Beratungstätigkeit gemacht und begleitet die Landwirte auf dem Weg zum klimafitten Ackerbau, um die Ernte zu schützen, den Betriebserfolg sowie die Versorgung zu sichern“, hebt Stocker hervor. Dazu wurde
- Das Kompetenzzentrum „Acker, Humus und Erosionsschutz“ mit vier Bodenexperten in der Bezirkskammer Südoststeiermark in Feldbach eingerichtet.
- Ein Bodenmobil mit hochmoderner Technik für die Beratung der Bauern durch die Bodenexperten angeschafft. Sehr wichtige Werkzeuge sind beispielsweise der Penetrologger, der die Bodenverdichtung misst. Oder das Infiltrometer, das die Wasseraufnahmefähigkeit des Bodens beurteilt.
- Das Praktikerforum eingerichtet, durch das derzeit 100 Bäuerinnen und Bauern steiermarkweit zu Fragen des Humusaufbaus unterstützt werden und die auch ihre Erfahrungen rege über WhatsApp austauschen. Diese Elitegruppe an Humusbauern wird von der Landwirtschaftskammer umfassend fachlich betreut.
- Weiters macht die Kammer umfassende Versuche zum Humusaufbau, die in die Beratungsarbeit einfließen. Auf Demonstrationsflächen werden Flurbegehungen durchgeführt. Jährlich veranstaltet die Landwirtschaftskammer rund 100 Weiterbildungsveranstaltungen, bei denen der Humusaufbau eine zentrale Rolle spielt.
- Bodenuntersuchungsaktionen: Zu günstigen Konditionen bietet die Landwirtschaftskammer gemeinsam mit dem Land Steiermark Bodenuntersuchungsaktionen für alle Produktionssparten an, damit die Betriebsführer einen Überblick über den Humus- und Nährstoffgehalt erhalten. Durchschnittlich werden jährlich 5.000 Bodenproben gezogen. In den vergangenen 20 Jahren waren es 100.000 Bodenuntersuchungen.
Franz Uller Humusbauer und Bodenpraktiker. „Humusaufbau und ein gesundes Bodenleben sind mir ein Herzensanliegen, um den Boden fruchtbar zu halten und die Erträge zu sichern“, betont Franz Uller. Und weiter: „Ich vermehre Humus mit einfachen und kostengünstigen Maßnahmen: Mit Fruchtfolge, Mist, alternativer Bodenbearbeitung und mit Begrünungen, die im Sommer ein Wellnessprogramm für die Bienen und im Winter ein Wellnessprogramm für den Regenwurm sind.“
In den vergangenen fünf Jahren hat Uller den Humusgehalt auf seinen Ackerflächen bereits um zehn Prozent verbessert. Uller erklärt das Prinzip des Humusaufbaus so: „Mist und die Begrünungen sind das Futter für das Bodenleben. Das vielfältige Bodenleben und der Regenwurm zersetzen diese organische Masse und wandeln sie in Humus um.“ Uller empfiehlt seinen Berufskollegen: „Beim Humusaufbau kann man nicht viel falsch machen. Man muss es tun, weil der Boden, der Bauer und die nächste Generation die Gewinner sind.“
Foto: LK-Danner