Mit einer Mahnwache gegen das drohende Aus für 37 steirische und 288 österreichische Biogasanlagen haben sich am Sonntag, dem 23. April 2017 weit mehr als 200 Bäuerinnen und Bauern, Politiker, Wirtschaftstreibende und Bewohner des ländlichen Raumes auf der modernsten und leistungsfähigsten Ökostromanlage Europas in Gosdorf im Bezirk Südoststeiermark getroffen.
Im August läuft die derzeitige Vergütungsschiene für die Biogasanlagen aus. Die derzeit geplante Neuregelung im Rahmen des Ökostromgesetzes würde praktisch das Aus für alle Anlagen bedeuten und neben den damit verbundenen wirtschaftlichen Existenzproblemen der Betreiberfamilien außerdem einen enormen Rückschritt Österreichs in den Bestrebungen, die Energieversorgung autark und nachhaltig zu gestalten.
An der Spitze der von Biogassprecher Hannes Hauptmann und Anlagenbetreiber Markus Lukas organisierten Veranstaltung konnte auch Landwirtschaftskammervizepräsidentin Maria Pein ihre volle Unterstützung bekunden: „ Österreich braucht Ökostrom, Ökowärme und geruchlosen Naturdünger. Für den Energiemix der Zukunft sind diese effizienten Mehrfachnutzungsanlagen unverzichtbar.“ Pein ging auch auf den Klimawandel ein: „Die Landwirtschaft ist Hauptbetroffener des Klimawandels – der Frost der vergangenen Tage hat die Bauern sehr, sehr hart getroffen und Schäden in Millionenhöhe angerichtet. Mit den umweltfreundlichen Bioenergieanlagen leistet die Landwirtschaft aber zusätzlich einen wichtigen Beitrag, um den Klimawandel zu bremsen.“
Der Widerstand gegen das ab August drohende Aus für die 288 österreichischen und damit auch für die 37 steirischen Biogasanlagen nimmt weiter an Fahr auf. Der Plattform „Pro Ökostrom und Ökowärme“, der bisher bereits mehr als 100 österreichische Bürgermeister, Industrievertreter, wie zum Beispiel das weltweit erfolgreiche Unternehmen SFL-technologies, die Technische Universität, das Militärkommando Steiermark, die Anlagenbetreiber und die Landwirtschaftskammer angehören, hat sich jetzt auch der Österreichische Gemeindebund mit allen seinen Länderorganisationen angeschlossen.
Hannes Hauptmann gibt sich trotz der dramatischen Situation vorsichtig zuversichtlich: „Ich freue mich über die immer größer und stärker werdende Solidarisierungswelle. Die steirischen und österreichischen Bioenergieanlagenbetreiber haben im Vertrauen auf der von der Politik zugesagten Fortführung in den vergangenen Jahren mehrfache Millionenbeträge in sehr leistungsstarke Anlagen investiert.“ Und er mahnt: „Uns jetzt in die sprichwörtliche Wüste zu schicken, das ist politische Willkür.“ Die Verschiebung der Beschlussfassung über die sogenannte kleine Ökostromnovelle im Parlament um zumindest einen Monat werte ich als Schritt in die richtige Richtung. Das ist eine Nachdenkpause für die Entscheidungsfindung, wir können unsere Fakten weiter einbringen und für eine praxistaugliche Lösung kämpfen.“
Die Anlage von Markus Lukas, die er gemeinsam mit Adi Pfeiler und Kurtz Tscherner in Gosdorf betreibt, ist die modernste ihrer Art in ganz Europa und versorgt 1.300 Haushalte mit Ökostrom und 40 Haushalte, das Gemeindehaus, den Kultursaal, den Kindergarten und den tierfreundlichsten Geflügelstall Europas und einen Schweinestall mit Biowärme. Lukas dazu: „Wir haben mit gewaltigen Investitionen die politische geforderte Leistungsstärke und Effizienzkriterien bei weitem übererfüllt. Nun bin ich sehr enttäuscht, dass es anscheinend politischer Wille in Österreich ist, diese gemeinsam mit der Industrie, ich verweise auf die Firma SFL-Technologies aus der Weststeiermark, die uns geholfen hat, unsere Anlage zu diesem modernen Betrieb zu machen, so modern aufgebauten Ökostrom- und Wärmeanlagen abzudrehen, wogegen in anderen europäischen Ländern, insbesondere in Deutschland, mit unserem Knowhow Tausende neue Biogasanlagen errichtet werden. Das ist aus meiner und unserer Sicht die falsche Energiepolitik, die in Österreich betrieben wird.“
Dazu ergänzt Markus Habisch vom Steirischen Bauernbund: „Wir haben uns 2015 als Republik mit der Unterzeichnung des Klimaabkommens von Paris dazu verpflichtet, bis 2030 die Stromerzeugung komplett auf regenerative Quellen umzustellen. Nur ein gesunder Mix aus Wasserkraft, Wind, Photovoltaik und Ökostrom aus Biogasanlagen wird das möglich machen. Außerdem hat aus meiner Sicht die österreichische Landwirtschaft nicht nur den Auftrag, die Versorgungssicherheit im Lebensmittelbereich sicherzustellen, sondern gerade auch im Strom- und Wärmebereich. Wir alle erinnern uns noch ans Jahr 2007, als Russlands Präsident Putin, der am europäischen Gashahn sitzt, aus scheinbaren Launen heraus gedroht hat, den Gashahn für Europa zuzudrehen und es bei uns kalt und finster werden zu lassen.“
Einige Fakten zu Biogas:
288 Anlagen in Österreich
37 Anlagen in der Steiermark
Anlagen produzieren 365 Tage im Jahr rund um die Uhr verlässlich, sicher und klimafreundlich Ökostrom und Ökowärme.
In der Steiermark werden dadurch 30.000 Haushalte, Schulen, Kindergärten, Pensionistenheime, Sportzentren u.a. mit Ökowärme versorgt.
Dadurch werden allein in der Steiermark Sechs Millionen Liter Heizöl und damit 86.000 Tonnen klimaverschlechterndes CO2 eingespart.
Foto: Walter Schmidbauer