Großer Countdown bei der Siegergala: Gewinnerin des Innovationspreises Vifzack 2024 der Landwirtschaftskammer ist Familie Hütter aus Krusdorf/Straden mit ihrem Projekt „Mobilstall für Mastgeflügel“. Der großartige zweite Platz geht an Farmfluencerin Melanie Haas aus Passail. Den beeindruckenden dritten Platz erreichte Martin Temmel aus Timmersdorf/Bezirk Leoben, der mit seiner Aquafarm und Gemüse dem stillgelegten Elternhof mitten im Dorf neues Leben einhaucht
Innovation erfolgt direkt auf den Höfen. „Die Landwirtschaft ist ein Hort der Innovationen, diese passieren direkt auf den Höfen und haben für den Fortschritt in der Landwirtschaft eine entscheidende Bedeutung. Durch Innovationen machen sich die landwirtschaftlichen Betriebe zukunftsfit“, unterstreichen Präsident Franz Titschenbacher und Vizepräsidentin Maria Pein. Und sie ergänzen: „Den Erfolg, den die Betriebe durch ihren Ideenreichtum, Tatendrang und ihre Umsetzungsstärke einfahren, ist schwer erarbeitet.“
Kammer berät Betriebe von der Idee bis zur Umsetzung. „Erfolgreiche Innovationen fallen nicht vom Himmel, sie müssen zielgerichtet entwickelt werden. Dazu braucht es neben guten Ideen, Mut und Risikobereitschaft auch Durchhaltevermögen. Daher bietet die Landwirtschaftskammer den Bäuerinnen und Bauern als besonderes Service auch eine profunde Innovationsberatung an“, sagt Kammerdirektor Werner Brugner. Zahlreiche Vorzeigeprojekte, die von den Landwirtschaftskammern österreichweit unterstützt wurden, finden sich auch auf der Homepage „Mein Hof – mein Weg“. Brugner: „Sie sollen erste Inspirationsquellen sein, wenn neue Wege eingeschlagen werden.“
Steiermärkische Sparkasse unterstützt Innovationen in der Landwirtschaft. „Die Geistesblitze unserer landwirtschaftlichen Betriebe, ob Superfood-, Grillholz-, Fisch- und Geflügelproduzent:innen bis hin zu Influencer:innen – sie alle beweisen Innovationstalent und zukunftsweisendes Denken. Die Steiermärkische Sparkasse sieht es als ihre Aufgabe, das Engagement und die innovativen Konzepte unserer Landwirt:innen zu unterstützen. Es gilt, auch in dieser Branche die Chancen des gesellschaftlichen Wandels zu nutzen und seinen Betrieb zukunftsfit und nachhaltig auszurichten“, so Dr. Oliver Kröpfl, Vorstandsmitglied Steiermärkische Sparkasse.
Platz 1 für Familie Hütter aus Krusdorf/Straden:
Da lachen ja die Masthühner
Tierwohl ist ein Generationenprojekt, heißt es immer. Bei uns arbeiten alle Generationen daran mit. Waltraud und August Hütter und ihre Söhne bauen mobile High-Tech-Hühnerställe auf alte Lkw-Anhänger
Mobiler Tierwohlstall für Masthühner. Über den Wolken und in Krusdorf bei Straden muss die Freiheit wohl grenzenlos sein. Zumindest fürs Geflügel. Die Hühner – und der stolze 4-Kilo-Hahn – fressen Waltraud Hütter buchstäblich aus der Hand, als sie beim LKW-Anhänger, der mitten in der Wiese steht, das Tor öffnen. Außen unscheinbar, verbirgt sich im Inneren dieses ausrangierten Sattelhängers ein um weniger als 30.000 Euro selbst gebauter High-Tech-Stall für Masthühner. Die Großfamilie Hütter ist schon seit vielen Jahren Vorreiter mit Weidehaltung für Gänse, Enten, Puten und nun auch Mastgeflügel. „Tierwohl ist ein Generationenprojekt, bei uns arbeiten alle Generationen daran mit“, sagen die beiden Söhne Martin und Patrick, die mit ihren Partnerinnen voll am Betrieb mitarbeiten.
Perfekt selbstgemacht. Während es aber mobile Ställe für Legehennen sonder Zahl gibt, sieht es bei Mastgeflügel anders aus. Also hat August Hütter ab 2019 alte LKW-Sattelanhänger erworben und sie mit viel Hirnschmalz und technischer Meisterleistung mit seinen Söhnen und einem befreundeten Schlosser umgebaut. Dabei wurden Fenster, Silos, Heizung und Einrichtung auf den Anhänger gebaut, Patrick hat auch die automatisierte Fütterung selbst programmiert. In der Schule gelernt? „Nein, das habe ich mir alles selbst beigebracht. Ich bin da ein bisschen ein Verrückter“, lacht der 29-Jährige, der einen mobilen Fahrverkauf aufgezogen hat, damit das Fleisch bis Wiener Neustadt vor die Türe der Kunden geliefert wird. Im Herbst 2022 zog die erste Gruppe von 400 Masthühnern in ihre mobile Weide-WG ein.
Ausbau geplant. Sie leben ab dem ersten Tag rund 14 Wochen am und rund um den LKW-Anhänger-Stall. Damit werden die Weidehühner, die nach drei Wochen groß genug für den ersten Weidegang sind, gut dreimal so alt wie gewöhnliche Masthühner. Sie werden mit 1,8 bis 4 Kilo auch deutlich schwerer, das Fleisch der Keulen ist dann schon dunkelrot. „Das langsame Wachstum merkt man auch an der höheren Fleischqualität“, ist die Familie überzeugt. Durch die Schlachtung am Hof gibt es keine Transporte während der gesamten Lebenszeit. Dafür eine wachsende Kundenanzahl, die dafür Kilopreise von 10,50 Euro (inkl. Knochen) zu zahlen bereit ist. Das Projekt ist weiter im Ausbau. Bald 15 Hektar Weide sind am Hof mit Strom und Druckluft versorgt. Der dritte Anhänger steht schon zum Umbau am Hof. Und es wären nicht die Hütters, hätten sie nicht schon Ideen ausgetüftelt, wie man den Stall noch besser machen kann.
Platz 2 für Melanie Haas: Tu’ Gutes und poste darüber
Ich will zeigen, wie modern, cool und vielseitig das Leben als Bäuerin sein kann. Das ist viel Arbeit, aber ich liebes es. Melanie Haas sät Informationen in der WWW-Welt, um Verständnis für Landwirtschaft zu ernten
Instagramkanal „gschuahof“. Können Tiere Türen öffnen? Und wie! Zwar machen Fluffy und ihre zwei Dutzend Jura-Schaf-Kolleginnen am Gschua Hof keine Anstalten, aus ihren sonnendurchfluteten Boxen auszubüxen. Aber ihre Lämmer hüpfen fidel am Futtertisch, als würden sie das nur für die Bäuerin tun – auf, dass Melanie Haas sie aufhebe und nach einer Kuscheleinheit zurück in den Stall gebe. Auf Türöffnung besonderer Art ist nebenan Aron von Wooly spezialisiert. Der Zwergesel, der bei der Ohrenverteilung dreimal „I ah“ gewiehert hat, erachtet Zäune um die ausgedehnten Weiden am Hof in Passail, die er mit 45 Almo-Ochsen teilt, nur als freundliche Empfehlung, nicht als fixe Vorgabe. Bei den schon mehr als 1600 Followern des Instagram-Kanals „gschuahof“ (Tendenz: stark steigend) versteht es der kleine Esel auch, schnurstraks die Tore zu den Herzen zu öffnen. „Ja, Aron ist ein Türöffner, um die Menschen dann auch mit landwirtschaftlichen Inhalten zu erreichen“, weiß Melanie Haas, die mit ihrem Partner Markus Vorraber hinter dem Online-Auftritt des Hofes steht, den die zwei Boku-Absolventen mit Markus‘ Eltern bewirtschaften.
Den Menschen Landwirtschaft erklären. Die Landwirtschaft ist ihre Leidenschaft, das Vermitteln ihr Auftrag. Ob im Schul- und Arbeitsalltag oder über Social Media (Melanie lehrte in Hafendorf und ist nun Fachberaterin der Bäuerinnen-Organisation in Weiz; Markus unterrichtet an der Forstschule Bruck): „Unsere Landwirte produzieren alle so hohe Qualität, wir arbeiten und leben das rund um die Uhr – aber nur, wenn wir das den Menschen erklären, die mit Landwirtschaft nichts zu tun haben, werden wir Verständnis ernten“, ist Melanie überzeugt. Ihrer Meinung nach bewege sich ein Gutteil ihrer Branche „zu sehr nur innerhalb der Landwirtschaftsblase“. Andere zu animieren, sich und ihre Höfe zu öffnen, ist das Ziel der beiden Jäger und Naturvermittler. Das müsse nicht unbedingt nur auf Instagram sein. „Wenn das jemandem nicht so liegt, reicht es auch, mit Konsumenten zu sprechen.“
Unterschied zwischen Realität und Werbung. Wichtig ist der 30-Jährigen in ihren lebendig, unterhaltsam und informativ aufbereiteten Instagram-Beiträgen, „auf den Unterschied zwischen den Bildern in der Werbung und der Realität“ hinzuweisen – und dennoch zu „zeigen, wie modern, cool und vielseitig das Leben als Bäuerin sein kann.“ Ein bis zwei Stunden pro Tag arbeitet die „Farmfluencerin“ täglich mit dem Handy, als Vermittlerin zwischen den Welten. „Ja, das ist viel Arbeitszeit – aber ich liebe es.“ Und was man gern macht, macht man gut. Und besser.
Platz 3 für Martin Temmel aus Timmersdorf:
Alles fließt – zurück zu den Wurzeln
Liesingtaler Edelwels lebt zu 100 Prozent frei von Mikroplastik und Antibiotika. Und unsere Lernkurve ist noch immer sportlich. Martin Temmel haucht mit Aquafarm und Gemüse dem stillgelegten Elternhof mitten im Dorf neues Leben ein
Aquafarm, Fische und Gemüse. Der Dschungel beginnt im Ortszentrum von Timmersdorf neben einem alten Kuhstall. Als Martin Temmel die Tür zum 200 Quadratmeter großen Folientunnel öffnet, empfängt uns auch in der kalten Jahreszeit ein warmes Ambiente und ein Geruch, der an einen Badesee mit Gärtnerei erinnert. Doch hier wachsen nicht einfach nur Mangold, Salat und Paradeiser. Ausgeklügelte Technik, viel Wasser und noch viel mehr Leben befinden sich einen Stock tiefer – wo sich in mehreren Becken „Liesingtaler Edelwelse“ tummeln.
Song Contest Teilnehmer. So wie das Gemüse im Wasser statt in der Erde Wurzeln schlägt, hat der frühere Berufsmusiker Martin Temmel auch einen Weg zurück zu den bäuerlichen Wurzeln beschritten. Der Song-Contest-Teilnehmer (Global Kryner) haderte lange damit, dass am stillgelegten Heimathof in der Nähe der Pyhrnautobahn der alte Kuhstall leerstand. Bis der 39-jährige auf das Aquaponik-Kreislaufsystem stieß. Dabei reinigen Gemüsepflanzen und biologische Filter das Wasser der Fische und ziehen Nährstoffe heraus. Wobei Temmel nicht verhehlt, dass „die Lernkurve noch immer sportlich ist, um die Wasserbiologie im Gleichgewicht zu halten“. Die Coronazeit nutzte der Musiklehrer und Tischler, um den Hof samt Verarbeitungs-, Räucher- und Verkaufsraum umzubauen und „seinen“ grätenfreien Wels salonfähig zu machen. „Das Fleisch zerfällt nicht beim Kochen und bei der Zubereitung bleiben unangenehme Gerüche aus.“ Im März 2021 wurden die ersten Fische eingesetzt. „Sie kommen mit 10 Gramm zu uns und bleiben ein halbes bis Dreivierteljahr, bis sie 1,5 bis 2 Kilogramm haben“. Alle zwei Wochen gibts für Privatkunden ab Hof bzw. für die gehobene Gastronomie Edelwels-Filets frisch oder geräuchert, dazu auch Pasteten und Aufstriche. Die Reste der Fischverarbeitung werden getrocknet und zu Hunde-Kaufutter verarbeitet.
Das Potenzial ist riesig. Einerseits, weil er die auf 15 bis 20 Tonnen Jahresfischproduktion ausgelegte Anlage noch nicht ausgeschöpft hat. Andererseits wird in Österreich so wenig Fisch produziert, dass die heimische Ware statistisch bereits Ende Jänner aufgebraucht ist. „Und unsere Fische leben zu 100 Prozent frei von Mikroplastik und Antibiotika.“ Übrigens: Beheizt wird mit der hauseigenen Hackschnitzelanlage. Und das Wassersystem ist so ausgeklügelt, dass man für das Pumpen von 120.000 Liter Wasser pro Stunde weniger Strom braucht als ein Staubsauger. „Alles fließt“ heutzutage ressourcenschonend.
Zahlen und Fakten. Zwischen 30. Oktober und 30. November 2023 fand die Stimmabgabe zur Kür des Agrarinnovationspreises Vifzack 2024 statt. Insgesamt wurden 68.344 Online- und Unterschriften- Stimmen abgegeben. Familie Hütter holte sich unglaubliche 30.567 Stimmen. 17.149 Stimmen bekam die Zweitplatzierte Melanie Haas. Martin Temmel erzielte insgesamt 5.792 Stimmen.
Foto: Fischer