Vor einhundert Jahren lebten 1,6 Milliarden Menschen auf der Erde. In einhundert Jahren könnten es nach einer Schätzung der Vereinten Nationen bereits 16 Milliarden Menschen sein. Schon heute steigt die Bevölkerung um mehr als 200.000 pro Tag. Damit wird das Thema Versorgungssicherheit zum Generalthema des 21. Jahrhunderts.
39.000 bäuerliche Betriebe decken in der Steiermark tagtäglich unseren Tisch mit hochqualitativen Lebensmitteln und gewährleisten damit unsere Versorgung. Unsere Landwirte produzieren nicht nur Rohstoffe für die Lebensmittelindustrie oder veredeln ihre Produkte mit höchster Qualität selbst, sie haben darüber hinaus eine Vielzahl an wichtigen Aufgaben. Daran wird in der breiten Öffentlichkeit aber leider sehr selten gedacht.
Als Pfleger unserer Lebensräume und Kulturlandschaft leisten sie zum Beispiel einen unverzichtbaren Beitrag für den Tourismus, sie bewahren unsere Tradition und gehören, daran sollte man in Zeiten steigender Arbeitslosenzahlen ganz besonders denken, nach wie vor zu den größten Arbeitgebern. Und auch hinsichtlich der Energieversorgung können wir auf die Bauernschaft keinesfalls verzichten.
Der Blick in die Zukunft muss uns aber zu denken geben, denn die folgenden Faktoren kennzeichnen eine sehr risikoreiche Ausgangslage für die Zukunft der Landwirtschaft:
• Agrarflächen werden jährlich weniger
• Naturkatastrophen werden weiter stark zunehmen
• Verbrauchermengen werden um das Doppelte ansteigen
• die Preise für Lebensmittelgrundstoffe werden an den Börsen noch stärker zum Spekulationsobjekt, als sie das ohnehin schon sind
„Wenn wir nicht rechtzeitig – und damit meine ich ab sofort – darauf schauen, dass wir uns auf die großen Herausforderungen der Landwirtschaft von morgen vorbereiten, werden uns diese Entwicklungen wie eine Heuschreckenplage überfallen,“ warnt Bauernbundobmann Seitinger davor, dieses so wichtige Thema auf die lange Bank zu schieben.
Boden ist mit Gold nicht aufzuwiegen
Standen im Jahr 1950 in Österreich noch 2400 m2 Ackerfläche pro Kopf zur Verfügung, so sind es heute lediglich 1600 m2. Schreitet diese Entwicklung ungebremst voran, wäre in knapp 100 Jahren die Hälfte der verbaubaren Agrarfläche Österreichs versiegelt. Dazu kommt auch noch, dass in Österreich pro Tag nicht weniger als 10 Bauern ihren Betrieb für immer zusperren.
Natur ist unberechenbar
Wissenschaftler haben erst kürzlich bei der Generalversammlung der European Geoscience Union in Wien ein ausgesprochen düsteres Bild gezeichnet. Demnach kann der Klimawandel in den Vereinigten Staaten bereits in zwei Jahren nie dagewesene Dürren bringen. Im Mittelmeerraum ist mit diesem Horrorszenario spätestens in zwölf Jahren zu rechnen. Und auch so genannte Jahrhundertfluten werden dramatisch ansteigen und Teile Europas voraussichtlich doppelt so oft wie bisher unter Wasser setzen. Bereits jetzt gehen durch die Klimaerwärmung und ihre Folgen riesige Anbauflächen für immer verloren.
Selbstversorgung mit Lebensmitteln in Gefahr
Der zunehmende Bodenverbrauch und die dauerhafte Flächenversiegelung stellen vor große standort- und regionalpolitische Probleme. „Landwirtschaftliche Nutzflächen werden immer weniger und das setzt die Selbstversorgung Österreichs mit unseren heimischen Lebensmitteln aufs Spiel“, so Seitinger. Der Verlust von Produktionsflächen bedeutet längerfristig auch einen Verlust von Arbeitsplätzen. Insgesamt sind mehr als 500.000 Jobs mit der österreichischen Land- und Forstwirtschaft verknüpft.
Neben der Versorgungssicherheit verlangt die Sorge um den Klimawandel ebenso unsere uneingeschränkte Aufmerksamkeit. „Unsere Agrarflächen werden durch klimabedingte Einflüsse, wie Dürre, Erosion, Rutschungen oder Überschwemmungen massiv weniger. Hinzu kommt auch noch ein vermehrter Schädlingsbefall. Daher ist ein weiteres Umdenken in der Klimapolitik notwendig und ist der Ausbau im Bereich der erneuerbaren Energie unumgänglich“, sagt Hans Seitinger.
Nachfrageboom verteuert Lebensmittel
Je mehr standardisierbares Massenprodukt, umso mehr wird an Börsen spekuliert, umso eher kommt es zu einer angebots- und nachfragebedingten Preisbildung.
Wenn die an den Börsen gehandelten Produkte (Weizen, Mais etc.) einen Lagerendbestand von 15 Prozent der Gesamtproduktion unterschreiten, steigt der Preis unverhältnismäßig hoch an.
Beispiele aus der Vergangenheit zeigen, dass z. B die Dürre in Neuseeland den Milchpreis um 25 Prozent in die Höhe trieb. Versorgungsengpässe bei Grundnahrungsmitteln wirken sich direkt auf die Preisbildung aus. Es muss daher das Ziel sein, größtmögliche Unabhängigkeit vom Weltmarkt zu erreichen und mit regionaler Produktion die Selbstversorgung aufrecht zu erhalten.
Was ist zu tun?
1. Jede nur denkbare Agrarfläche muss erhalten und auch genutzt werden.
2. Wir brauchen noch mehr Menschen, die sich mit Herz und Seele dem „Bauer-Sein“ verschreiben und die so wichtigen Aufgaben übernehmen
3. Die Aus- und Weiterbildung im Agrarbereich muss weiter forciert werden.
4. Das Lebensumfeld der Bauern muss neu geordnet, bürokratische Hürden und unnötige Auflagen, die die Arbeit derzeit erschweren, müssen abgebaut werden.
5. Mit Sondermaßnahmen muss es uns gelingen, die heimische Qualität und die Vielfalt zu erhalten um nicht dem industrialisierten Einheitsbrei zu verfallen.
6. Unter dem Motto „Leben und leben lassen“, geht es darum, die gesellschaftliche Wertschätzung für die Bauernschaft weiter zu stärken.
Jeder von uns kann noch heute einen wertvollen Beitrag für die heimische Landwirtschaft leisten. „Bedenkt man, dass jeder Haushalt in Österreich genießbare Lebensmittel im Wert von 300 Euro pro Jahr wegwirft, so kann durch ein bewussteres Einkaufen und durch einen noch stärkeren Griff zu heimischen Lebensmitteln ein wichtiges Signal gesetzt werden“, fordert Seitinger die Konsumenten zum Umdenken auf.
Ein Interview mit Landesrat Hans Seitinger zu diesem Thema finden Sie hier.